Am Freitag, 14.6.2019 haben in der ganzen Schweiz hundertausende Frauen zum zweiten Mal in der Geschichte gestreikt. Gründe dafür gibt es tausende die patriarchale und kapitalistische Gesellschaft produziert sie tagtäglich von Neuem. Für die Linke in der Schweiz war der vergangene Freitag ein wahrhaft historischer Tag. Denn seit Jahrzehnten kam es hierzulande im Land der politischen und sozialen Stabilität nicht mehr zu einer solch erfolgreichen sozialen Mobilisierung.
von BFS Zürich
Was am 14.6.2019 dem Frauen*streiktag in der Schweiz passierte, ist in vielerlei Hinsichten aussergewöhnlich. Aussergewöhnlich deshalb, weil es in den letzten Jahren in diesem von Arbeitsfrieden und Konkordanz geprägten Land kaum zu grösseren sozialen Bewegungen gekommen ist. Gleichzeitig können wir rund um die Schweiz einen besorgniserregenden Aufstieg rechtsextremer Parteien beobachten wie die Europawahlen Ende Mai 2019 erneut bestätigten. In quasi allen europäischen Ländern (und darüber hinaus) sind rassistische, antisoziale und frauenfeindliche Parteien und Organisationen auf dem Vorschmarsch. In Italien, Ungarn und eventuell bald auch wieder in Österreich sitzen sie bereits in der Regierung und eine Kehrtwende ist bis auf weiteres nicht abzusehen. Viele dieser Parteien beziehen sich offen auf die Schweizerische Volkspartei (SVP) als Vorbild, welche in der Schweiz schon seit Jahren die stärkste Partei ist. Insofern liegt die Schweiz neben der Rückständigkeit bezüglich Gleichstellung auch in Sachen starke rechte Parteien weit vorne.
Just in dieser historischen Situation erlebt die Schweiz eine der stärksten sozialen Mobilisierungen ihrer neueren Geschichte. Nur selten zuvor auch nicht beim Frauenstreik 1991 war eine soziale Bewegung derart stark in der (weiblichen) Gesellschaft verankert, wie die aktuelle Streikbewegung. Der Frauen*streik leistet einen unschätzbaren Beitrag dazu, dass sich nicht nur der politische und mediale Diskurs nach links verschiebt. Er trägt auch das Potenzial in sich, das reale Kräfteverhältnis in einem der stabilsten Ländern der Welt nachhaltig zu verändern und zu einer längerfristigen Selbstorganisierung von lohnabhängigen Frauen beizutragen.
Der hiesige Frauen*streik war seit Beginn eingebettet in den weltweiten Aufschwung feministischer Kämpfe. Die argentinischen und polnischen Feministinnen*, die Womens Marches in den USA, die Bewegung «Ni una di meno» in Italien und vor allem die millionenstarken Frauen*streiks im Spanischen Staat 2018 und 2019 sie alle üben einen direkten Einfluss auf die feministische Bewegungen in der Schweiz. Und diese Internationalität ist auch ihre grosse Stärke: Zu wissen, dass die Frauen in der Schweiz im Gegensatz zum Frauenstreik 1991 nicht alleine und losgelöst vom Rest der Welt streiken, stärkt die Bewegung enorm und kann für ihre weitere Entwicklung noch von entscheidender Bedeutung sein.
Seit Monaten haben sich in der Schweiz dutzende lokale und regionale Frauen*streik-Kollektive auf den Streik vorbereitet. Anders als 1991 gab es keine zentrale Führung der Streikvorbereitungen. Stattdessen wurde die Hauptarbeit lokal in den Kollektiven geleistet und auf nationaler Ebene die unterschiedlichen Vorhaben koordiniert.
In den Wochen vor dem Streik wurde erstmals erkennbar, dass die Mobilisierung wirklich gross werden könnte. Dass sie so gross werden würde, damit hat aber niemand gerechnet. Weit über eine halbe Million Menschen haben sich am Streiktag beteiligt. Alleine an den zentralen Demonstrationen in den verschiedenen Städten und Orten waren fast eine halbe Million Menschen, überwiegend Frauen*. Dabei erlebten viele grössere Städte die massivsten Demonstrationen ihrer neueren Geschichte:
Zürich | 160000 |
Bern | 100000 |
Basel | 40000 |
Baden | 500 |
Aarau | 3500 |
Olten | 500 |
Solothurn | 2000 |
Neuenburg | 5000 |
Brig | 500 |
Sion | 12000 |
Schwyz | 500 |
Friboug | 12000 |
Zug | 500 |
Schaffhausen | 2000 |
Glarus | 200 |
Chur | 1000 |
St.Gallen | 6000 |
Luzern | 10000 |
Biel | 3000 |
Winterthur | 5000 |
Lausanne | 50000 |
Delémont | 4000 |
Genf | 50000 |
Bellinzona | 10000 |
TOTAL | 478200 |
Die Karte auf 1406.ch zeigt die unglaubliche Vielfalt und Breite an Streikaktivitäten, die am 14. Juni stattfanden. In allen grösseren Städten und dutzenden kleineren Ortschaften gab es Arbeitsniederlegungen und verlängerte Pausen, Streikzmittage, Stadtrundgänge, Vorträge, Versammlungen, Blockaden und am Abend Demonstrationen.
In Zürich beispielsweise begann der Streiktag bereits kurz nach Mitternacht. Mit einem Autokorso durch die Zürcher Innenstadt wurde der Frauen*streik «eingehupt». Über den Mittag kam es dann unter anderem zu einer Besetzung des wichtigen Verkehrsknotenpunktes am Central unter dem Motto: «Wenn Frau* will, steht alles still. Und sie will». Am Nachmittag rief die Betreuer*innengruppe «Trotzphase» zum Streiktreffen auf der Bäckeranlage auf. Hunderte Frauen* folgten dem Aufruf und machten klar, dass sie die Geringschätzung der Sorgearbeit, die schlechte Bezahlung und die prekären Arbeitsbedingungen, Unterbesetzungen und hohe Belastungen in der Kinderbetreuung nicht mehr länger tolerieren werden. Am Nachmittag solidarisierten ich Frauen mit politisch gefangenen Frauen* in der Schweiz und international und umschlossen das Bezirksgefängnis mit einem 400 Meter langen Transparent.
Um 15.24 Uhr einem von zwei zentralen Momenten des Tages verliessen überall in der Stadt Frauen* ihre bezahlte oder unbezahlte Arbeit und strömten auf die Strassen und Plätze. Beeindruckend, wie sich die Stadt mit violett gekleideten Frauen füllte. Die Polizei war ab der schieren Menge der teilnehmenden Frauen* und den immer wieder entstehenden spontanen Demonstrationszügen und Aktionen komplett überfordert. Gegen 17 Uhr strömten dann zehtausende Frauen* Richtung Limmatquai, das aus allen Nähten platzte. Als sich die zentrale Demonstration dann in Bewegugn setzte war bald klar: Das muss eine der grössten Demonstrationen sein, die Zürich je gesehen hat.
Anschliessend wurde auf dem Helvetiaplatz bis in die Nacht hinein Reden gehalten, gefeiert und gesungen. Auch in anderen Städten und Kantonen fanden 24 Stunden lang verschiedenste Aktionen, Demonstrationen und Streiks statt. Die Städte wurden teilweise lahmgelegt und überall waren Streikfahnen und Transparente zu sehen. Wir werden in den kommenden Wochen noch ausführlichere Berichte über den Streiktag und dessen schweiweite Durchführung veröffentlichen.
Die feministischen Kollektive in der ganzen Schweiz sagen schon seit Monaten, dass der 14. Juni 2019 nicht das Ende, sondern der Startschuss einer breiten feministischen Vernetzung in der Schweiz und darüber hinaus sein wird. Zusammen mit der Klimastreikbewegung erlebt die Schweiz zur Zeit einen Aufschwung sozialer Bewegungen, die von hundertausenden Aktivist*innen getragen wird und in ihrer selbstorganisierten Form einzigartig ist. Es ist das erste Mal seit Langem, dass die antikapitalistische, feministische und ökologische Linke einen Grund hat, sich auf die kommenden Monate zu freuen.
Was am 14.6.2019 dem Frauen*streiktag in der Schweiz passierte, ist in vielerlei Hinsichten aussergewöhnlich. Aussergewöhnlich deshalb, weil es in den letzten Jahren in diesem von Arbeitsfrieden und Konkordanz geprägten Land kaum zu grösseren sozialen Bewegungen gekommen ist. Gleichzeitig können wir rund um die Schweiz einen besorgniserregenden Aufstieg rechtsextremer Parteien beobachten wie die Europawahlen Ende Mai 2019 erneut bestätigten. In quasi allen europäischen Ländern (und darüber hinaus) sind rassistische, antisoziale und frauenfeindliche Parteien und Organisationen auf dem Vorschmarsch. In Italien, Ungarn und eventuell bald auch wieder in Österreich sitzen sie bereits in der Regierung und eine Kehrtwende ist bis auf weiteres nicht abzusehen. Viele dieser Parteien beziehen sich offen auf die Schweizerische Volkspartei (SVP) als Vorbild, welche in der Schweiz schon seit Jahren die stärkste Partei ist. Insofern liegt die Schweiz neben der Rückständigkeit bezüglich Gleichstellung auch in Sachen starke rechte Parteien weit vorne.
Just in dieser historischen Situation erlebt die Schweiz eine der stärksten sozialen Mobilisierungen ihrer neueren Geschichte. Nur selten zuvor auch nicht beim Frauenstreik 1991 war eine soziale Bewegung derart stark in der (weiblichen) Gesellschaft verankert, wie die aktuelle Streikbewegung. Der Frauen*streik leistet einen unschätzbaren Beitrag dazu, dass sich nicht nur der politische und mediale Diskurs nach links verschiebt. Er trägt auch das Potenzial in sich, das reale Kräfteverhältnis in einem der stabilsten Ländern der Welt nachhaltig zu verändern und zu einer längerfristigen Selbstorganisierung von lohnabhängigen Frauen beizutragen.
Der hiesige Frauen*streik war seit Beginn eingebettet in den weltweiten Aufschwung feministischer Kämpfe. Die argentinischen und polnischen Feministinnen*, die Womens Marches in den USA, die Bewegung «Ni una di meno» in Italien und vor allem die millionenstarken Frauen*streiks im Spanischen Staat 2018 und 2019 sie alle üben einen direkten Einfluss auf die feministische Bewegungen in der Schweiz. Und diese Internationalität ist auch ihre grosse Stärke: Zu wissen, dass die Frauen in der Schweiz im Gegensatz zum Frauenstreik 1991 nicht alleine und losgelöst vom Rest der Welt streiken, stärkt die Bewegung enorm und kann für ihre weitere Entwicklung noch von entscheidender Bedeutung sein.
Seit Monaten haben sich in der Schweiz dutzende lokale und regionale Frauen*streik-Kollektive auf den Streik vorbereitet. Anders als 1991 gab es keine zentrale Führung der Streikvorbereitungen. Stattdessen wurde die Hauptarbeit lokal in den Kollektiven geleistet und auf nationaler Ebene die unterschiedlichen Vorhaben koordiniert.
In den Wochen vor dem Streik wurde erstmals erkennbar, dass die Mobilisierung wirklich gross werden könnte. Dass sie so gross werden würde, damit hat aber niemand gerechnet. Weit über eine halbe Million Menschen haben sich am Streiktag beteiligt. Alleine an den zentralen Demonstrationen in den verschiedenen Städten und Orten waren fast eine halbe Million Menschen, überwiegend Frauen*. Dabei erlebten viele grössere Städte die massivsten Demonstrationen ihrer neueren Geschichte:
Zürich | 160000 |
Bern | 100000 |
Basel | 40000 |
Baden | 500 |
Aarau | 3500 |
Olten | 500 |
Solothurn | 2000 |
Neuenburg | 5000 |
Brig | 500 |
Sion | 12000 |
Schwyz | 500 |
Friboug | 12000 |
Zug | 500 |
Schaffhausen | 2000 |
Glarus | 200 |
Chur | 1000 |
St.Gallen | 6000 |
Luzern | 10000 |
Biel | 3000 |
Winterthur | 5000 |
Lausanne | 50000 |
Delémont | 4000 |
Genf | 50000 |
Bellinzona | 10000 |
TOTAL | 478200 |
Die Karte auf 1406.ch zeigt die unglaubliche Vielfalt und Breite an Streikaktivitäten, die am 14. Juni stattfanden. In allen grösseren Städten und dutzenden kleineren Ortschaften gab es Arbeitsniederlegungen und verlängerte Pausen, Streikzmittage, Stadtrundgänge, Vorträge, Versammlungen, Blockaden und am Abend Demonstrationen.
In Zürich beispielsweise begann der Streiktag bereits kurz nach Mitternacht. Mit einem Autokorso durch die Zürcher Innenstadt wurde der Frauen*streik «eingehupt». Über den Mittag kam es dann unter anderem zu einer Besetzung des wichtigen Verkehrsknotenpunktes am Central unter dem Motto: «Wenn Frau* will, steht alles still. Und sie will». Am Nachmittag rief die Betreuer*innengruppe «Trotzphase» zum Streiktreffen auf der Bäckeranlage auf. Hunderte Frauen* folgten dem Aufruf und machten klar, dass sie die Geringschätzung der Sorgearbeit, die schlechte Bezahlung und die prekären Arbeitsbedingungen, Unterbesetzungen und hohe Belastungen in der Kinderbetreuung nicht mehr länger tolerieren werden. Am Nachmittag solidarisierten ich Frauen mit politisch gefangenen Frauen* in der Schweiz und international und umschlossen das Bezirksgefängnis mit einem 400 Meter langen Transparent.
Um 15.24 Uhr einem von zwei zentralen Momenten des Tages verliessen überall in der Stadt Frauen* ihre bezahlte oder unbezahlte Arbeit und strömten auf die Strassen und Plätze. Beeindruckend, wie sich die Stadt mit violett gekleideten Frauen füllte. Die Polizei war ab der schieren Menge der teilnehmenden Frauen* und den immer wieder entstehenden spontanen Demonstrationszügen und Aktionen komplett überfordert. Gegen 17 Uhr strömten dann zehtausende Frauen* Richtung Limmatquai, das aus allen Nähten platzte. Als sich die zentrale Demonstration dann in Bewegugn setzte war bald klar: Das muss eine der grössten Demonstrationen sein, die Zürich je gesehen hat.
Anschliessend wurde auf dem Helvetiaplatz bis in die Nacht hinein Reden gehalten, gefeiert und gesungen. Auch in anderen Städten und Kantonen fanden 24 Stunden lang verschiedenste Aktionen, Demonstrationen und Streiks statt. Die Städte wurden teilweise lahmgelegt und überall waren Streikfahnen und Transparente zu sehen. Wir werden in den kommenden Wochen noch ausführlichere Berichte über den Streiktag und dessen schweiweite Durchführung veröffentlichen.
Die feministischen Kollektive in der ganzen Schweiz sagen schon seit Monaten, dass der 14. Juni 2019 nicht das Ende, sondern der Startschuss einer breiten feministischen Vernetzung in der Schweiz und darüber hinaus sein wird. Zusammen mit der Klimastreikbewegung erlebt die Schweiz zur Zeit einen Aufschwung sozialer Bewegungen, die von hundertausenden Aktivist*innen getragen wird und in ihrer selbstorganisierten Form einzigartig ist. Es ist das erste Mal seit Langem, dass die antikapitalistische, feministische und ökologische Linke einen Grund hat, sich auf die kommenden Monate zu freuen.